Die Kehrseite der Medaille: Negative Folgen des Kaiserschnitts

Kaiserschnitt: Ein Baby wird vom OP-Personal auf die Welt geholt. Quelle: Shutterstock.

Ehemals als Lebensretter entwickelt, wird der Kaiserschnitt heutzutage häufig ohne medizinische Indikation durchgeführt. Doch die unnatürliche Geburt kann langfristige Folgen haben – für das Kind sowie für die Mutter, vor allem im Hinblick auf eine Folgeschwangerschaft.

In diesem Artikel geht es um folgende Fragen: Welche (kurzfristigen und langfristigen) Auswirkungen hat eine Kaiserschnittgeburt auf Kind und Mutter? Gibt es Möglichkeiten, negative Folgen einzudämmen?

Ein Kaiserschnitt kann Leben retten. Genau zu diesem Zweck wurde er entwickelt. In einigen Regionen unserer Welt sterben immer noch Frauen und/oder ihre Babys in der Schwangerschaft oder unter der Geburt, obwohl sie durch einen Kaiserschnitt überlebt hätten. Dieser ist aber nicht überall (ausreichend) verfügbar.

Schätzungen zufolge ist ein Kaiserschnitt in 10 bis 15 Prozent aller Geburten notwendig bzw. medizinisch zu empfehlen, da eine natürliche Geburt Mutter und/oder Kind(er) gefährden könnte (vgl.  WHO, 2018). Im Südsudan z.B. wird jedoch bei lediglich 0.6 Prozent der Geburten ein Kaiserschnitt gemacht, auch in West-/Zentralafrika (4%) und in Ost-/Südafrika (6%) gibt es sehr geringe Kaiserschnittraten (vgl. Boerma at al., 2018). Könnten mehr Kaiserschnitte durchgeführt werden, liesse sich in diesen Regionen vermutlich die Mütter-/Babysterblichkeit senken.

In anderen (entwickelten) Staaten gibt es dagegen viel zu viele Kaiserschnitte – die eigentlich gar nicht nötig wären. Die Kaiserschnittraten liegen massiv über den empfohlenen 10 bis 15 Prozent: In Deutschland, Österreich und der Schweiz kommen gemäss den Daten der OECD ca. ein Drittel der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Sehr hohe Zahlen finden sich bspw. in der Türkei (54%), in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten (ca. 55%) sowie in China (60%, regional sehr unterschiedlich) (vgl. OECD, 2021; Zahlen für 2019). Die hohe Rate in China erklärt sich mit dem Streben, ein «kluges» Geburtsdatum zu wählen, da das Datum als bedeutend/prägend für die Zukunft des Kindes gilt.

Nicht in allen entwickelten Staaten wird so häufig zum Kaiserschnitt gegriffen: Die skandinavischen Länder, die Niederlande und Israel liegen mit Raten um die 15 Prozent z.B. nahe an der WHO-Empfehlung. (vgl. OECD, 2021)

Bei uns sind die Kaiserschnittraten um die Jahrtausendwende stark angestiegen: 1991 lag die Quote in Deutschland z.B. noch bei 15 Prozent. Sie hat sich seither also mehr als verdoppelt, auch wenn die Kaiserschnittgeburten mittlerweile wieder leicht rückläufig sind. (vgl. OECD, 2021)

Lange gab es einen regelrechten Kaiserschnitt-Boom. Doch heute weiss man immer sicherer: Eine unnatürliche Geburt, ohne Passieren des Geburtskanal, hat Folgen. Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation sind daher nicht nur unnötig, man nimmt auch  kurz- und langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes in Kauf, möglicherweise sogar eine höhere Anfälligkeit für chronische Leiden, die das Kind ein Leben lang begleiten können. Zudem steigt nach einem Kaiserschnitt die Komplikationsrate bei einer Folgeschwangerschaft.

Kurzfristige Auswirkungen auf das Kind: vermehrte Anpassungsschwierigkeiten

  • Kaiserschnitt-Kinder haben nach der Geburt eher Anpassungsprobleme und müssen auf die Intensivstation als vaginal geborene Kinder.
  • Ein Grund für die vermehrten Anpassungsprobleme scheint die fehlende Geburtsvorbereitung zu sein, die ein Baby bei einem natürlichen Geburtsstart erfährt.
  • Bei einer vaginalen Geburt werden Stresshormone ausgeschüttet, die die Anpassung nach der Geburt erleichtern – beim Kaiserschnitt bleibt die Ausschüttung aus.

Während vaginal geborene Babys durch natürliche vorgeburtliche Prozesse wie die Ausschüttung verschiedener Hormone sowie den Weg durch den Geburtskanal auf das Leben ausserhalb der Gebärmutter vorbereitet werden, findet diese Einstimmung und Vorbereitung bei Kaiserschnittgeburten nicht statt. Die Kinder werden plötzlich aus der Gebärmutter geholt ( Notkaiserschnitte unter der Geburt sind ein Spezialfall). Nicht verwunderlich, dass sie häufiger empfindlich auf die Umstellung reagieren und eher Anpassungsschwierigkeiten zeigen. Und selbstverständlich: Je früher die Kinder geholt werden (müssen), desto unreifer sind sie und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu Beginn Probleme haben, wenn die Versorgung über die Nabelschnur abbricht. Doch auch «reife» Kinder zeigen nach Kaiserschnitten eher Anpassungsprobleme (z.B. tiefe Apgar-Werte, die auf eine neonatale Depression hindeuten) und müssen deutlich häufiger intensivmedizinisch betreut werden als vaginal geborene Kinder (vgl. WHO, 2018).

Ein verbreitetes Problem bei Kaiserschnittbabys sind Atemprobleme nach der Geburt, die als «Atemnotsyndrom» bezeichnet werden. Dies kommt auch bei vaginal geborenen Kindern vor, tritt nach Kaiserschnitten jedoch gehäuft auf. Aufgrund von Fruchtwasser in der Lunge können sie nicht richtig atmen bzw. können nicht genügend Luft in die Lunge aufnehmen, meist muss Flüssigkeit abgesaugt werden. Als Ursache für die vermehrte Flüssigkeit in der Lunge sehen Forscher nach derzeitigem Stand eine Kombination aus folgenden Gründen: Zum einen schüttet der kindliche Körper bei einer natürlichen Geburt verschiedene «Stresshormone» aus, wodurch unter anderem die Flüssigkeitsaufnahme in die Lunge gestoppt und Flüssigkeit eher hinausbefördert wird (als «Katecholamin-Stoss» bezeichnet). Bei der unvermittelten Kaiserschnittgeburt bleibt die hilfreiche Hormonausschüttung aus. Zum anderen wird wohl bei einer vaginalen Geburt während des Weges durch den engen Geburtskanal automatisch Wasser aus der Lunge gepresst. Auch dieser Vorgang fehlt Kaiserschnittkindern. (vgl. Hyde et al., 2012; Shao et al., 2019)

Der natürliche «Geburtsstress», dem das Kind bei einer «normalen» Geburt ausgesetzt wird, setzt gemäss dem Forscherteam um Shao (2019) weitere Prozesse in Gang: Die kindliche Leber beginnt, Stärke freizugeben, damit nach dem Ende der mütterlichen Versorgung über die Nabelschnur weiter Energie vorhanden ist. Ausserdem wird das sogenannte «braune Fett» aktiviert. Die Depots befinden sich unter den Schulterblättern und im Hals-/Brustbereich des Babys und dienen der Wärmeregulierung. Sie sind wichtig, da sie dem Baby ermöglichen, die Temperatur nach der Geburt eine Zeitlang zu halten. Man geht davon aus, dass die verschiedenen Hormone und Nervenbotenstoffe, die während einer natürlichen Geburt ausgeschüttet werden, ebenfalls die Organreifung beschleunigen. Bei Kaiserschnittkindern, die den «Geburtsstress» nicht erfahren, bleiben diese Prozesse aus.

In Studien wurde ebenfalls festgestellt, dass die Art der Geburt einen kurzfristigen Effekt auf das Schmerzempfinden der Babys zu haben scheint. Als Indikator für Stress bzw. Schmerz wurde dabei das Cortisol-Level im Speichel ermittelt. In den ersten 24 Stunden war das gemessene Schmerzempfinden bei Kaiserschnittkindern höher (20%) als bei Kindern, die natürlich auf die Welt kamen (17%). Die höchsten Werte gab es allerdings nach Saugglocken-Geburten (39%). Die Unterschiede verschwanden bis 72 Stunden nach der Geburt vollständig. (vgl. Schuller et al., 2012)

Grössere Schäden und Beeinträchtigungen durch die für einen Kaiserschnitt nötige Anästhesie sind nicht zu erwarten. Eine Gefahr stellt ein plötzlicher Blutdruckabfall der Mutter dar, wie er unter Teilnarkose grundsätzlich vorkommen kann. Fällt der Blutdruck der Mutter ab, kann dies zu einer verminderten Durchblutung der Gebärmutter und dadurch zu einer Sauerstoff-Unterversorgung des Kindes kommen. Diese mögliche Komplikation ist allerdings bekannt und ihr wird durch Medikamente und bestimmte Lagerung in aller Regel erfolgreich entgegengewirkt. Bei einer Teilnarkose ist die Mutter wach, was ein grosser Vorteil ist, denn sie kann das Baby sofort sehen und schnell an die Brust nehmen, was für die wichtige kindliche Bindungsentwicklung ideal ist.

In bestimmten Fällen ist eine Vollnarkose nötig. Dann wird von erfahrenen Ärzten die geringst mögliche Dosis verabreicht, damit das Neugeborene möglichst nicht unter der Narkose leidet. Denn mit Narkosemittel im Blut kommt es beim Kind häufiger zu Anpassungsschwierigkeiten.

Trotz Vorsichtsmassnahmen der Ärzte kann laut WHO (2018) die Allgemeinanästhesie bei einem Kaiserschnitt das Apgar-Testergebnis nach Geburt negativ beeinflussen und für die hohe Rate neonataler Depressionen (sehr tiefe Apgar-Werte von <3) bei Kaiserschnittbabys mitverantwortlich sein. Die Apgar-Einstufung beurteilt den allgemeinen Gesundheitszustand eines Babys kurz nach der Geburt. Durch die Wiederholung des Tests lässt sich erkennen, wie gut (und schnell) sich das Kind an das Leben ausserhalb des Mutterleibes anpassen kann.

Eine weitere Schwierigkeit kann nach einem Kaiserschnitt der Stillstart darstellen. Dieser ist nicht selten erschwert – ein Grund dafür kann ein Oxytocin-Mangel sein. Für das Neugeborene ist es bedeutend, so schnell wie möglich (am besten unmittelbar nach Geburt) zu stillen. Doch gerade nach einem Kaiserschnitt gelingt dies häufiger nicht. Oxytocin ist ein Hormon, das (als Gegenspieler des Adrenalins) Entspannung bewirkt, Angst vertreibt, Schmerzen lindert und Bindung stärkt/herstellt. Unter der Geburt (während der Wehen) schüttet der mütterliche Körper grosse Mengen Oxytocin aus, die auf Mutter und Baby gleichermassen wirken. Doch auch für das Stillen (Oxytocin ist verantwortlich für den Milchspendereflex) sowie für die Entstehung der essentiellen Mutter-Kind-Bindung ist das Hormon zentral. Deshalb wird Oxytocin auch beim Stillen und Kuscheln (mit Hautkontakt) ausgeschüttet. (vgl. Cadwell/Brimdyr, 2017)

Um den Stillstart nach einem Kaiserschnitt zu erleichtern, ist es sinnvoll, den Beginn der Wehen abzuwarten und erst dann den Kaiserschnitt zu starten, wenn keine medizinische Indikation dagegen spricht. So wird bereits Oxytocin ausgeschüttet, was Mutter und Kind den (Still-)Start erleichtern kann. Ohne das Abwarten der Wehen entsteht beim Kaiserschnitt kein Oxytocin.

Zudem wird nach Kaiserschnitten gerne synthetisches Oxytocin verabreicht – z.B. um das Zusammenziehen der Gebärmutter zu aktivieren und starke Blutungen zu verhindern. Künstliches Oxytocin wird auch bei natürlichen Geburten zur Verstärkung der Wehen eingesetzt. Doch der Einsatz des synthetischen Hormons hat Nebenwirkungen: Studien zeigen, dass die Bildung des natürlichen Hormons stark gehemmt wird. Somit kommt auch nur wenig des mütterlichen Hormons beim Kind an. Und die künstliche Alternative (die ebenfalls auf das Kind übertragen wird) kann das natürliche Hormon keinesfalls ersetzen. Durch die Gabe des künstlichen Hormons (in hohen Dosen) können jedoch die Oxytocin-Rezeptoren bei Mutter und Kind langfristig beeinträchtigt werden. Beobachtet wurde in Studien, dass die Mütter nach der Geburt eher Schwierigkeiten hatten, sich auf das Kind einzustellen (z.B. vermehrte postnatale Depressionen). Die Kinder wiesen häufiger Bindungsstörungen auf als andere Kinder, was sowohl durch direkt durch das künstliche Oxytocin als auch das veränderte Verhalten der Mutter bedingt werden kann. (vgl. Cadwell/Brimdyr, 2017)

Längerfristige Auswirkungen auf das Kind: Höheres Risiko für Krankheiten und Allergien

  • Kaiserschnittkinder entwickeln häufiger Allergien, Asthma, Übergewicht und weitere chronische Leiden.
  • Kaiserschnittkinder sind gegenüber Infektionskrankheiten anfälliger.
Kaiserschnittkinder sind durchschnittlich anfälliger für Krankheiten und haben eher Allergien. Quelle: Shutterstock.

Verschiedene Studien legen nahe: Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kamen, neigen eher zu Allergien und sind durchschnittlich anfälliger für Zivilisationskrankheiten. Forscher der Universität Edinburgh werteten in einem gross angelegten, systematischen Vergleich zahlreiche internationale Studien aus, um die länger- und langfristigen Folgen eines Kaiserschnitts zu untersuchen. Insgesamt lagen ihnen dabei Daten von knapp 3 Millionen Menschen vor. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Ergebnisse zum Teil dennoch unsicher seien, aufgrund von Widersprüchen, kleine Fallzahlen für Subgruppen oder Differenzen in der Konzeption der zugrundeliegenden Studien. Dennoch gibt es interessante Resultate und Tendenzen. (vgl. Keag et al., 2018)

Im Vergleich zu vaginal geborenen Kindern ergibt sich für Kaiserschnittkinder ein dreifach erhöhtes Risiko für die Entstehung von Bronchialasthma im Kindesalter (bis 12 Jahre). Diesen Zusammenhang fanden die Forscher in 13 unterschiedlichen Studien. Für einen Einfluss auf die Asthma-Entwicklung im Erwachsenenalter fanden sich ebenfalls Anhaltspunkte, jedoch kein signifikantes Ergebnis. (vgl. Keag et al., 2018)

Die Wahrscheinlichkeit, im Kindesalter an Allergien und Infektionskrankheiten zu erkranken, scheint nach einem Kaiserschnitt ebenfalls höher zu sein. Die Forscher aus Edinburgh fanden Indizien für ein erhöhtes Risiko, an Allergien, Hypersensitivitäten, Dermatitis und atopischen Erkrankungen wie Neurodermitis zu erkranken (vgl. Keag et al., 2018). Auch Yan Shao, Wissenschaftler am Wellcome Sanger Institute in Hinxton, und seine Kollegen weisen in ihrer Studie (2019) nach, dass Kinder, die per Kaiserschnitt zu Welt kamen, eher an Allergien, Hauterkrankungen, Lungenkrankheiten und Darmerkrankungen leiden. Kaiserschnittkinder scheinen ebenfalls allgemein anfälliger für infektiöse Krankheiten zu sein (vgl. z.B. Rutayisire et al., 2016). Im ersten Jahr scheinen Kaiserschnittkinder ein fast 50 Prozent erhöhtes Risiko an Durchfallerkrankungen zu erkranken als vaginal geborene Kinder.

Erhöhte Risiken ergeben sich ausserdem für die Erkrankung an Diabetes (mellitus, Typ 1) (vgl. Keag et al., 2018; Shao et al., 2019). Gemäss den Ergebnissen aus der Studie des Forscherteams um Shao (2019) leiden Personen, die per Kaiserschnitt zu Welt kamen, in der Kindheit zudem vermehrt unter ADHS und Autismus.

Die oben genannten Arbeiten (Keag et al., 2018; Shao et al., 2019) finden ebenfalls einen Zusammenhang der Art der Geburt und der Entwicklung von starkem Übergewicht/Adipositas. Kaiserschnittkinder seien demnach vermehrt von übermässigen Gewichtsproblemen betroffen. Es gibt jedoch auch Studien, die keinen solchen Zusammenhang sehen, wie z.B. die Geschwisterstudie von Rifas-Shiman et al. (2018). In dieser Studie wurde die Gewichtsentwicklung von Geschwisterpaaren verfolgt, bei denen ein Kind per Sectio und eines vaginal auf die Welt gekommen war. Im Verlauf der Gewichtsentwicklung gab es keine signifikanten Abweichungen zwischen den jeweiligen Geschwistern. Die Forscher legen daher nahe, dass eher die Art des Mikrobioms der Mutter (Darmflora, Vaginalflora, Hautbakterien etc.) sowie das vorgelebte/gelernte Ernährungsverhalten eine Rolle spielen.

Woher die grössere Anfälligkeit von Kaiserschnittkindern für verschiedenste Erkrankungen kommt, ist bis jetzt nicht vollständig geklärt. Eine zentrale Rolle könnten Darmbakterien bzw. die Besiedlung der Darmflora spielen.

Hängt die gesteigerte Anfälligkeit mit einer schlechteren Darmflora zusammen?

  • Eine gute Darmflora ist für die Immunabwehr zentral.
  • Kaiserschnittkinder haben eine reduzierte, weniger diversitäre Darmflora mit höherer Erregerdichte.
  • Die Erstbesiedelung der Darmflora geschieht während der Geburt.

Dass der Darm für die Immunabwehr generell eine zentrale Rolle spielt, ist heutzutage bekannt. Folgende Zahlen verdeutlichen die Wichtigkeit des Organs: Man geht davon aus, dass mindestens 70 Prozent aller antikörperproduzierenden Immunzellen im Darm (genauer: in der Darmschleimhaut) beheimatet sind und ca. 80 Prozent aller Immunabwehrreaktionen im Darm ablaufen. Voraussetzung für die volle Funktionsfähigkeit der Immunabwehr im Darm ist eine gute Darmflora, also die Darmbesiedelung mit Billionen nützlicher Bakterien.

Studien zeigen: Die Darmbesiedelung könnte auch die höhere Krankheits-Anfälligkeit von Kaiserschnittkindern erklären oder zumindest einen zentralen Grund darstellen. Schon im jüngsten Säuglingsalter scheint nämlich die Darmgesundheit bzw. die Bakterienbesiedelung der Darmflora eine zentrale Rolle zu spielen – und zwar beim Aufbau des Immunsystems. (vgl. z.B. Rutayisire et al., 2016; Shao et al., 2019)

Eine britische Studie, in der Stuhlproben von 600 Neugeborenen analysiert wurden, kam zu folgendem Ergebnis: Kaiserschnittkinder weisen eine ganz andere Darmflora auf als vaginal geborene Kinder. Die Darmflora der Kaiserschnittkinder sei vermindert und wirke weniger schützend als die voll intakte Darmflora der vaginal geborenen Kinder. Krankheitserreger könnten sich daher leichter ansiedeln und breitmachen. Es dauere sehr lange, bis sich die Unterschiede im Verlauf des Lebens ausglichen. (vgl. Shao et al., 2019)

Die Untersuchungen fanden 4, 7 und 21 Tage nach der Geburt der Kinder statt. Ausserdem gab es eine Folgeuntersuchung im späten Säuglingsalter. Durch die ganze Zeit hinweg zeigte sich, dass die Darmflora der Kaiserschnittkinder weniger stark von den «guten» und nützlichen Bacteroides-Stämmen besiedelt war, dafür vermehrt opportunistische Erreger wie Enterococcus, Enterobacter und Klebsielle-Arten enthielt. Dies sind Erreger, die typischerweise in Spitälern vorkommen. In der Darmflora der Kaiserschnittkinder fanden die Forscher zudem klinisch relevante antimikrobielle Resistenzen, die ebenfalls eine stärkere Anfälligkeit für Infektionen bedingen. (vgl. Shao et al., 2019)

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch die Forscher um Rutayisire, die für ihre Arbeit (2016) 652 Studien auswerteten: Kaiserschnittkinder haben eine allgemein geringer besiedelte sowie eine weniger vielfältig besiedelte Darmflora (im Vergleich zu vaginal geborenen Kindern). Speziell gering falle die Besiedelung durch Bifidobakterien sowie Bakterien aus der Gattung der Bacteroides (beides wichtige Stämme für eine gesunde Immunabwehr) aus. Dafür machen im Mikrobiom der Kaiserschnittkinder Bakterien wie Clostridium und Lactobacillus einen grösseren Anteil aus. Gemäss den Wissenschaftlern gleiche sich die Darmbesiedelung nach 6 bis 12 Monaten etwas an, es gebe aber weiterhin (markante) Unterschiede.

In verschiedenen Studien zeigt sich also, dass sich die Art der Geburt signifikant auf die Besiedelung der Darmflora (im Neugeborenen- und Säuglingsalter sowie vermutlich darüber hinaus) auswirkt. Doch wie entsteht das unterschiedliche Mikrobiom?

Im Mutterleib ist der Darm von Babys steril, d.h. er ist unbesiedelt und enthält noch keine Bakterienkulturen, Erreger o.ä. (laut manchen Forschern gibt es Indizien, dass evtl. bereits Anlagen der Bakterien über Fruchtwasser/Plazenta während der Schwangerschaft auf das Kind übertragen werden, es finden sich aber noch keine Bakterien im Darm). Erst bei der Geburt kommt der Darm mit Bakterien in Kontakt. Bei einer vaginalen Entbindung nimmt das Baby auf dem Weg durch den Geburtskanal und die Scheide über die Haut, Nägel und Haare das Mikrobiom der Mutter aus der Darm- und Scheidenflora auf. Danach kommt es mit den Hautbakterien der Mutter in Kontakt, weiter geht es mit den Bakterien aus den ersten Schlucken Muttermilch. So verläuft die Erstbesiedelung des Darms in seiner natürlichen Abfolge. Bei einem Kaiserschnitt wird das Baby mit sterilem Darm direkt vom OP-Personal in Empfang genommen, kommt als aller erstes mit deren Hautbakterien sowie mit den Hautbakterien der Mutter in Kontakt. (vgl. Rutayisire et al., 2016)

Im Spital gelangen wohl auch die antimikrobiell resistenten opportunistischen Krankheitserreger in die Darmflora der Kaiserschnittbabys. Doch obwohl die meisten vaginalen Geburten ebenfalls im Spital stattfinden, sind die genannten Erreger in der Darmflora der vaginal geborenen Kinder i.d.R. nicht zu finden. Wo bzw. wann genau gelangen die Erreger in den Darm der Kaiserschnittkinder? Die Vermutung liegt nahe, dass dies bereits mit der Erstbesiedelung direkt nach dem Kaiserschnitt, quasi im OP-Bereich, passiert. Doch dieser Punkt scheint noch ungeklärt, gesicherte Informationen konnte ich dazu nicht finden.

«Vaginal Seeding»: manuelle Übertragung der mütterlichen Keime zum Aufbau der Darmflora

  • Keime aus der mütterlichen Vaginalflora können durch Einreiben oder oral auf das Baby übertragen werden.
  • Laut ersten Studien scheint das Vorgehen die Darmbesiedelung positiv zu beeinflussen.
  • Ob durch «vaginal seeding» die Krankheitsanfälligkeit gesenkt werden kann, ist noch nicht untersucht.

Anders als bei einer vaginalen Geburt überträgt sich bei einem Kaiserschnitt das mütterliche Mikrobiom aus der Darm- bzw. Vaginalflora nicht automatisch auf das Baby. Da eine gute Darmflora für die Immunabwehr jedoch zentral ist und die Erstbesiedelung eine wichtige Rolle zu spielen scheint, hatten Forscher eine Idee: Könnte man die mütterlichen Keime nicht auch nachträglich manuell übertragen? Der «vaginal seeding» Ansatz (auch «Microbirthing» genannt) war geboren.

Beim «vaginal seeding» werden dem Baby nach der Kaiserschnittgeburt mütterliche Keime aus der Scheidenflora verabreicht. Dazu kann man etwa den angeborenen Saugreflex nutzen, der direkt nach der Geburt aktiviert wird. Die Mutter kann dem Baby Vaginalsekret auf dem Finger geben. In den USA gibt es bereits in einigen Spitälern folgendes Vorgehen: Vor dem Kaiserschnitt wird für eine Zeitlang vorübergehend eine Temponade in die Scheide eingelegt, die Sekret aufsaugt. Nach der Sectio reibt die Hebamme das Kind mit dem mütterlichen Vaginalsekret ein.

Ob der Ansatz zum Erfolg führt, ist noch wenig erforscht. Ein Forscherteam aus den USA hat sich der Frage angenommen und bereits verschiedene Vergleichsstudien angefertigt. In einer der neuesten Studien wurden z.B. 177 Babys begleitet, von denen 98 vaginal geboren wurden und 79 per Kaiserschnitt zur Welt kamen. 30 der Kaiserschnittbabys wurde nach der Sectio Vaginalsekret der Mutter verabreicht («vaginal seeding»). (vgl. Song et al., 2021)

Tatsächlich war die Darmbesiedelung dieser Babys bei späteren Untersuchungen (bis 12 Monate) vergleichbar mit jener der vaginal geborenen Kinder, während der Darm der Kaiserschnittbabys ohne «vaginal seeding» geringer und weniger diversitär besiedelt war. Die Forscher schliessen daraus, dass «vaginal seeding» das Mikrobiom der Babys tatsächlich essentiell positiv beeinflusst. Das Vorgehen scheine dafür zu sorgen, dass trotz Kaiserschnitt ein relativ natürliches bzw. «normales» Mikrobiom entstehe. Dabei soll übrigens nicht nur das Darm-Mikrobiom, sondern etwa auch das Haut- und Mundmikrobiom positiv beeinflusst werden. (vgl. Song et al., 2021)

Bislang ist die Studienlage noch zu dünn, um mit Sicherheit sagen zu können, dass «vaginal seeding» sinnvoll ist bzw. Kaiserschnittkindern hilft, eine optimalere Darmflora zu entwickeln. Die vorhandenen Studien sind zudem sehr klein (basieren auf geringen Fallzahlen). Für gesicherte Ergebnisse bräuchte es gross angelegte Vergleichsstudien. Noch gar nicht untersucht ist zudem die Frage, ob sich das Vorgehen später tatsächlich auch auf die Krankheitsanfälligkeit auswirkt. Die Forscher gehen davon aus, dass dies der Langzeiteffekt des natürlicheren Mikrobioms sein wird, dies wurde bis jetzt jedoch nicht nachgewiesen. Für einen Nachweis bedarf es Langzeitanalysen.

Dennoch zeichnet sich aus den vorhandenen Tests und Studien ab, dass ein positiver Effekt zu erwarten ist. Ob man durch «vaginal seeding» ein Angleichen an das natürliche (durch vaginale Geburt entstehende) Mikrobiom erzielen kann, ist fraglich; eine Annäherung scheint jedoch wahrscheinlich. Und auch von dieser könnten Kaiserschnittkinder vermutlich profitieren, glauben die Forscher um Song (2021). Bis jetzt erhalten jedoch nur wenige Kaiserschnittbabys die Keime aus der mütterlichen Vaginalflora – und die fast ausschliesslich in den USA. Bei uns ist das Vorgehen noch kaum bekannt.

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen: Manche Neonatologen warnen etwa vor einer Übertragung mit Krankheitserregern. Aber müsste diese Warnung dann nicht gleichermassen für eine natürliche Geburt gelten? Doch bei natürlichen Geburten sagt man: Auch wenn «schlechte» Keime mitübertragen werden – das Baby profitiert in viel höherem Masse von der wichtigen positiven Besiedelung. Das müsste dann auch für Kaiserschnittkinder gelten. Schlechten Einfluss könnte aus meiner Sicht eher von möglichen zusätzlichen «Fremdbakterien» aus dem Spital, die sich allenfalls bereits auf der Temponade befinden oder zwischen Entnahme und Einreiben hinzugesellen ausgehen.

Stillen: natürlicher nächster Aufbauschritt der Darmflora

  • Stillen als wichtiger Hebel beim Aufbau einer gesunden Darmflora.
  • Muttermilch enthält nützliche Keime, die der kindliche Darm benötigt.
  • Gestillte Kinder sind weniger krankheitsanfällig.

Nach dem ersten Keimkontakt mit den Bakterien aus der mütterlichen Scheiden-/Darmflora sowie Hautbakterien läuft der weitere Aufbau des kindlichen Mikrobioms natürlicherweise in erster Linie über die Keime in der Muttermilch. Die Muttermilch enthält ganz natürlich viele nützliche Bakterien. Sie ist mitunter dazu gemacht, das Mikrobiom des Kindes optimal aufzubauen.

Studien zeigen, dass bereits relativ kurz nach der Geburt fast ein Drittel aller im Darm des Babys befindlichen nützlichen Darmkeime aus der aufgenommenen Muttermilch stammen. Sie ist also schon früh eine wichtige Quelle. In anderen Untersuchungen konnte wiederum nachgewiesen werden, dass etwa das Risiko für allergische Erkrankungen durch Stillen im Neugeborenenalter deutlich reduziert wird (vgl. Pannaraj et al., 2017). Gerade für Kaiserschnittkinder ist das frühe Stillen (unmittelbar nach Geburt) umso wichtiger, da sie bei der Geburt nicht (automatisch) mit dem Mikrobiom der mütterlichen Scheiden-/Darmflora in Kontakt kommen und dazu häufiger schädliche Keime im Darm haben.

Muttermilch ist ein grosser Hebel in puncto Darmgesundheit: Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Darmflora gestillter Kinder generell eine optimalere Zusammensetzung und mehr gesundheitsfördernde Bakterien aufweist als diejenige von Babys, die Flaschennahrung erhalten. Und dies scheint sich auf die Gesundheit auszuwirken: Kinder, die als Babys ausschliesslich gestillt wurden, leiden später seltener an  Allergien, Diabetes, Übergewicht und entzündlichen Darmerkrankungen als Kinder, die nicht oder nicht ausschliesslich gestillt wurden, wie Wissenschaftler feststellten. (vgl. z.B. Thompson et al., 2015; Bergstrom et al., 2014)

Die Risiken für die Mutter betreffen vor allem Folgeschwangerschaften

  • Nach einem Kaiserschnitt ist die Gefahr einer Fehl-/Totgeburt erhöht.
  • In Folgeschwangerschaften (nach einem Kaiserschnitt) kommt es eher zu Komplikationen.
Eine frische Kaiserschnittnarbe: Ein Kaiserschnitt ist eine OP. von der man sich erholen muss. Quelle: Shutterstock.

Bis jetzt habe ich ausführlich dargelegt, welche negativen Auswirkungen ein Kaiserschnitt für das Kind haben kann. In diesem Kapitel möchte ich auf die Risiken und Folgen für die Mutter eingehen. In dem zuvor erwähnten Review von Keag et al. (2018) wurden 10 Studien zum Thema unter die Lupe genommen und einige signifikante Zusammenhänge entdeckt.

Zunächst zu möglichen kurzfristigen Folgen:

Bei einem Kaiserschnitt wird ein Schnitt in die Bauchdecke gesetzt und die Gebärmutterwand durchtrennt. Die Wunde muss heilen, das Gewebe vernarbt. Kurzfristig kann es zu Narbeninfektionen und Entzündungen kommen, die sich jedoch dank der modernen Medizintechnik normalerweise nicht zu einem ernsthaften Problem entwickeln (vgl. Keag et al., 2018).

Der Kaiserschnitt ist eine Operation, die meist unter Teilnarkose, in wenigen Fällen unter Vollnarkose stattfindet. Im Nachgang muss sich die Mutter von der Operation erholen sowie sie es bei jeder anderen Operation auch müsste. Komplikationen oder nachträgliche Probleme aufgrund der Narkose sind selten.

Aufgrund der Veränderung der Blutgerinnung während der Schwangerschaft, gibt es bei Schwangeren und Frauen, die frisch entbunden haben, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Thrombosen und Lungenembolien. Nach einer Kaiserschnittgeburt liegt die Gefahr (aufgrund der OP) besonders hoch. Dies ist ein Risikofaktor, der auch bedingt, dass die Müttersterblichkeit bei einem Kaiserschnitt (noch immer) höher liegt als bei einer vaginalen Geburt (vgl. z.B. die Statistiken der bayerischen Perinatalerhebung, 2019).

Nun zu den längerfristigen Folgen:

Die Ergebnisse aus den analysierten Studien geben Hinweise darauf, dass Frauen, die per Kaiserschnitt entbunden haben, zukünftig ein erhöhtes Risiko für eine eingeschränkte Empfängnisfähigkeit haben könnten. Das bedeutet, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt tendenziell weniger schnell/leicht erneut schwanger werden als Frauen nach einer vaginalen Geburt. Klappt die Empfängnis, kommt es bei Frauen, die zuvor einen Kaiserschnitt hatten, statistisch häufiger zu Problemen bei der Einnistung (z.B. Eileiterschwangerschaften). (vgl. Keag et al., 2018)

Vor allem aufgrund der Durchtrennung der Gebärmuttermuskulatur bei einem Kaiserschnitt kann es bei einer Folgeschwangerschaft und -geburt zudem eher zu Komplikationen kommen als bei anderen Frauen. Statistisch gibt es z.B. ein höheres Risiko für eine atypische Lage der Plazenta (Plazenta praevia) sowie eine sehr festsitzende Plazenta, die zu einer verzögerten Plazenta-Geburt führt (Plazenta accreta). Genauso kommt es häufiger zum Gegenteil: einer vorzeitigen Plazentaablösung, was für das Kind aufgrund einer unzureichenden Versorgung bzw. eines Versorgungsabbruchs sehr gefährlich werden kann. Weiter liegt das Risiko für einen Uterus-Riss höher und es kommt vermehrt zu vorgeburtlichen Blutungen. (vgl. Keag et al., 2018)

Aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit für verschiedene Komplikationen während der Schwangerschaft ist es kaum verwunderlich, dass auch das Risiko eine Fehl- oder Totgeburt zu erleiden, nach einem Kaiserschnitt signifikant erhöht ist. Frauen, die zuvor per Kaiserschnitt entbunden haben, verlieren ihr Kind in einer Folgeschwangerschaft also eher als Frauen, die zuvor keine oder nur vaginale Geburten hatten. Die vermehrten Komplikationen steigern zudem die Wahrscheinlichkeit, dass erneut ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss. Ein Kaiserschnitt erhöht ebenfalls die Gefahr, dass irgendwann im späteren Verlauf des Lebens die Gebärmutter entfernt oder teilentfernt werden muss. (vgl. Keag et al., 2018)

Im Folgenden möchte ich vollständigkeitshalber noch kurz auf die Vorteile für die Mutter eingehen:

Da das Kind bei einem Kaiserschnitt den Geburtskanal nicht passiert und der Beckenboden dadurch insgesamt weniger strapaziert wird, ist die Wahrscheinlichkeit für Beckenbodendysfunktionen geringer. Dazu gehören Harninkontinenz, Analinkontinenz und die Senkung des Uterus und der Vagina, ausserdem (dauerhafte) Verletzungen der Bindegewebsstrukturen sowie der Gefässe und Nerven. Betrachtet wurden für den Vergleich Frauen ab 12 Monate nach der Geburt bis zum Alter von 80 Jahren, so dass auch langfristige oder erst spät auftretende Probleme mitberücksichtigt worden sind. (vgl. Keag et al., 2018)

Einen Einfluss auf die Periode scheint die Art der Geburt nicht zu haben. Ob eine Frau später eine starke oder schmerzhafte Periode bekommt, ist unabhängig davon, ob sie je vaginal oder per Kaiserschnitt entbunden hat. (vgl. Keag et al., 2018)

Die positive Seite: Kaiserschnitt als Mittel der Wahl bei medizinischer Indikation

  • Wenn durch eine natürliche Geburt Komplikationen drohen, profitieren Kinder (und Mütter) vom Kaiserschnitt.
  • Ein Kaiserschnitt sollte immer dann durchgeführt werden, wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen (also bei medizinischer Indikation).

Zu Guter Letzt möchte ich noch einmal weiter ausholen und die positive Seite betonen: In Fällen, in denen durch eine natürliche Geburt (schwerwiegende) Komplikationen drohen, profitieren Kinder vom Kaiserschnitt. Dann ist der Kaiserschnitt ist ein wunderbares Mittel, um das Sterberisiko zu senken und Schäden zu vermeiden bzw. zu minimieren (vgl. Keag et al., 2018). Ein sehr geschwächtes Kind kann durch eine vaginale Geburt schnell in akute Gefahr geraten, weil es etwa kurzzeitigen Sauerstoffmangel schlechter wegstecken kann als gesunde Kinder. Bei einem Kaiserschnitt ist die Wahrscheinlichkeit für einen Sauerstoffmangel unter der Geburt sehr gering (viel geringer als bei einer vaginalen Geburt). Bei Plazentainsuffizienz, Plazentaablösungen oder verminderter Sauerstoffversorgung des Ungeborenen ist daher der Kaiserschnitt – trotz seiner negativen Folgen – häufig die beste Wahl für das Kind. Auch wenn unter der vaginalen Geburt Probleme wie Wehenschwäche und Stillstand auftreten, kann der Kaiserschnitt das Mittel der Rettung sein, um schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindes zu verhindern.

Ebenfalls gibt es Erkrankungen der Mutter, durch welche das Risiko unter einer vaginalen Geburt stark erhöht ist. Dazu gehören etwa Beckendeformationen und Schwächen der Gebärmutter (aus unterschiedlichen Gründen), die die Belastbarkeit herabsetzen. Ein Gebärmutterriss kann für Mutter und Baby lebensbedrohlich sein. Des Weiteren kann eine natürliche Geburt aufgrund von Erkrankungen, die mit der Schwangerschaft in Bezug stehen, wie einer schweren Schwangerschaftsvergiftung mit Krämpfen (Eklampsie) riskant sein. In solchen Fällen ist ein Kaiserschnitt angezeigt.

Auch bei einem sehr grossen/schweren Kind können Mutter und Kind vom Kaiserschnitt profitieren, weil es unter der vaginalen Geburt bei beiden zu massiven Verletzungen (mitunter an Knochen und Nerven) kommen kann. Liegt das Kind am Ende der Schwangerschaft in Querlage und lässt sich nicht drehen, kann das Kind nur durch einen Kaiserschnitt sicher geholt werden.

Bei folgenden Vorkommnissen spricht man von «absoluten» Gründen für einen Kaiserschnitt (nach netdoktor.ch):

  • Querlage des Kindes
  • Missverhältnis zwischen der Größe des Kindskopfes und des mütterlichen Beckens
  • Beckendeformitäten der Mutter
  • (drohendes) Einreissen der Gebärmutter
  • vorzeitige Ablösung des Mutterkuchens
  • Fehllage des Mutterkuchens vor dem Gebärmutterhals (Plazenta praevia)
  • Krampfanfälle (Eklampsie) bei Schwangerschaftsbluthochdruck
  • bakterielle Infektion der Fruchthöhle (Amnioninfektionssyndrom)
  • HELLP-Syndrom (besonders schwerer, akut verlaufender Schwangerschaftsbluthochdruck)
  • Nabelschnurvorfall mit Abknicken der Nabelschnur
  • übersäuerte Stoffwechsellage des Kindes (fetale Azidose)

Um in solchen Situationen Mutter und Kind zu retten, ist der Kaiserschnitt da. Dann überwiegen die Vorteile die beschriebenen Nachteile bei weitem. Er sollte aber eben nur bei entsprechender Indikation angewendet werden. Denn ohne eine solche Indikation gibt es kaum einen Grund, die negativen Auswirkungen fürs Kind in Kauf zu nehmen.

Ein kleines Resümee…

Dank des Kaiserschnitts konnte die Mütter- und Säuglingssterblichkeit gesenkt werden. Schwache Kinder können schonend geboren, drohende Komplikationen bei Müttern und Babys abgewendet werden. Bei uns und in einigen anderen entwickelten Staaten werden jedoch auch Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation durchgeführt.

Lange Zeit dachte man, man tue mit einem Kaiserschnitt Müttern und Babys einen Gefallen: Schliesslich könne man so auch gesunden Kindern den Geburtsstress ersparen. Und wenn sie keinen Vorteil hätten, dann sicherlich keinen Nachteil. Doch heute weiss man: Es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Der «Geburtsstress», die Anstrengung und der Weg durch den engen Geburtskanal sind nämlich natürlich vorgesehen und erfüllen Aufgaben. Durch einen Kaiserschnitt werden verschiedene Prozesse nicht in Gang gesetzt, die ein Baby auf das Leben ausserhalb des Mutterleibes vorbereiten. Ausserdem scheinen Kaiserschnittkinder auch längerfristig etwas weniger gut gewappnet zu sein: Sie zeigen sich anfälliger für Krankheiten, Allergien und chronische Leiden.

Einen Grund für die höhere Anfälligkeit der Kaiserschnittkinder vermuten Forscher in der veränderten Darmflora. Die Besiedelung mit dem mütterlichen Vaginal- und Darm-Mikrobiom fehlt bei einem Kaiserschnitt. Dagegen machen sich von Beginn an vermehrt «schlechte» Keime breit. Um die Darmbesiedelung zu optimieren, kann es sich lohnen, dem Kind nach einem Kaiserschnitt manuell mütterliches Vaginalsekret zu verabreichen («vaginal seeding»). Der Ansatz ist jedoch noch neu und muss sich zunächst in langfristigen und grossangelegten Studien beweisen.

Mittlerweile ist klar: Ein Kind profitiert von einer natürlichen Geburt. Jeder unnötige Eingriff ist einer zu viel. Ein Kaiserschnitt sollte nur durchgeführt werden, wenn eine vaginale Geburt aus medizinischen Gründen zu riskant erscheint. Falls ein Kaiserschnitt notwendig ist, ist natürlich längst nicht alles verloren – das Kind kann genauso eine intakte Darmflora entwickeln und abwehrstark werden wie vaginal geborene Kinder. Das wohl effektivste und natürlichste Mittel, das ihm nach der Geburt dazu verhilft, ist Muttermilch. Stillen ist postnatal der wichtigste Pfeiler zum Aufbau des Mikrobioms. Keine Ersatzmilch kommt annähernd an die Zusammensetzung der Muttermilch heran. Studien zeigen, dass gestillte Kinder seltener krank sind – und zwar egal, ob sie per Kaiserschnitt oder vaginal zur Welt kamen.

Zum Weiterlesen – interessante Links zum Thema:

Quellenangaben

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