Milch, Brei, Familienkost: Nach diesem Ablauf werden Babys in unserer Kultur überwiegend an die «Erwachsenen»-Ernährung herangeführt. Doch ein anderer Ansatz wird immer populärer: Baby-Led Weaning (BLW).
Bei der BLW-Methode bestimmt das Baby den Übergang von der Milch zur festen Nahrung selbst. Das bedeutet: Dem Baby werden verschiedene Lebensmittel (z.B. vom Familientisch) angeboten. Es bedient sich selbst, isst, was es möchte, so viel es möchte und wie schnell es möchte. Die restlichen Nährstoffe und Kalorien holt es sich über die (Mutter-)Milch – nach Bedarf, so viel und so lange es wünscht.
In diesem Artikel geht es um folgende Fragen: Was ist BLW? Welche Vorteile bietet BLW? Gibt es Risiken? Ist BLW oder Brei besser für das Kind? Schliesst das eine das andere aus?
Jedes (gesunde) Kind interessiert sich irgendwann für Essen und startet damit die «Entwöhnungsphase» – den Übergang von (ausschliesslicher) Milchnahrung zu fester Nahrung. Der Prozess beginnt in der Regel zwischen dem 5. und 8. Lebensmonat, verläuft in individuellem Tempo und dauert unterschiedlich lang.
Manche Babys stillen relativ schnell einen Grossteil ihres Hungers über feste Nahrung, andere bevorzugen längere Zeit Milch zur Kaloriendeckung. Ein Teil der Kinder stillt sich früh vollständig ab, andere fordern die Brust noch lange ein (hier sei angemerkt, dass Stillen viel mehr ist als Nahrungsaufnahme: z.B. Nähe, Beruhigung, Schmerztilgung, Deckung das Saugbedürfnisses). Die Spannbreite ist gross: Lässt man der Natur seinen Lauf, entwöhnen sich Babys üblicherweise zwischen 2 und 7 Jahren vollständig (vom Stillen).
Die Übergangsphase von Milch zu fester Nahrung ist eine ganz bedeutende Zeit, da sich die Art und Weise des «Entwöhnens» und des Kennenlernens von Nahrungsmitteln auf die Ernährung und Nahrungspräferenzen im ganzen Leben auswirkt. Die Ernährungsweise wiederum hat einen starken Einfluss auf die Gesundheit, z.B. über das Gewicht. (vgl. D’Auria et al., 2018)
Lange Zeit war es in unserer Kultur nun üblich, Babys (möglichst früh) Brei zu füttern. Zum Start fiel die Wahl auf ein gut bekömmliches Gemüse, danach wurde ergänzt, zunehmend vermischt. Es existieren Tabellen, zu welchem Zeitpunkt ein Baby wieviel Gramm Brei essen sollte, und wann es an der Zeit ist, welches Lebensmittel einzuführen.
Jetzt verbreitet sich mit BLW ein Ansatz, der dem Motto folgt: Das Baby darf von Anfang an alles probieren, was es möchte (mit Ausnahme «gefährlicher Lebensmittel») und wieviel es möchte, ganz individuell. Es ist egal, welche Mengen es wann verspeist, genügend Kalorien erhält es weiterhin über die Milch.
Was ist denn nun «besser»?
Zunächst möchte ich festhalten, dass der BLW-Ansatz eigentlich gar nichts «Neues» ist, sondern eher ein Schritt zurück zu unseren Wurzeln, zu unserer Natur. Denn zu Zeiten unserer Urahnen drängten die Mütter nicht auf schnelles Abstillen. Und Baby-Brei ist tatsächlich eine relativ neue Erfindung (ca. aus dem 17./18. Jahrhundert). Evolutionär wurde Babys kein Brei gefüttert. Unseren Vorfahren wäre es gar nicht möglich gewesen, alle Nahrung fein und stückchenfrei zu pürieren. Einiges (z.B. reife Beeren) können Babys von Anfang an (ab Beikostreife) selbst «kauen» – indem sie es mit der Zunge am Gaumen zerdrücken. Anderes (wie etwa Fleisch) wurde vorgekaut.
Brei ist also eigentlich gar nicht notwendig. Babykörper sind dazu gemacht, ab Beikost-Beginn stückige Nahrung aufzunehmen. Wichtig ist nur: Es muss die Beikostreife abgewartet werden. Wenn ein Baby alle Nahrungsstücke prompt mit der Zunge herausschiebt, ist es schlichtweg noch nicht bereit für feste Nahrung und sollte vorerst weiter ausschliesslich Milch erhalten. Sobald es bereit ist, kommt es auch mit stückiger Nahrung klar.
Ist Brei nun falsch?
So pauschal kann man das sicher nicht sagen. Es gibt durchaus Vorteile breiiger Konsistenzen bei der Nahrungsversorgung von Babys. Babys können Breie einfach schlucken und es lassen sich einfach notwendige Nährstoffe und Spurenelemente wie z.B. Eisen unterbringen. Um eine Geschmacksvielfalt kennenzulernen, ist es jedoch sicherlich von Vorteil, (pürierte) Lebensmittel nicht (immer) zu vermischen. Denn es ist schwierig den Geschmack von Brokkoli kennenzulernen, wenn er immerzu mit Kartoffeln und Fleisch vermischt ist (siehe zur Prägung von Geschmacksvorlieben diesen Artikel).
Doch nur der Reihe nach: Was beinhaltet der BLW-Ansatz überhaupt und wie sieht er in der Praxis aus? Welche Vorteile gibt es? Verschlucken sich BLW-Kinder mehr und erhalten sie alle wichtigen Nährstoffe, wenn sie selbst auswählen?
Was ist Baby Led Weaning (BLW)?
- BLW ist eine Einstellung: Eltern trauen dem Baby zu, den Abstill-Prozess und die Nahrungsaufnahme selbst zu bestimmen.
- Das Baby wird nicht gefüttert, sondern isst aktiv selbst.
- Die Eltern bieten gesunde Nahrungsmittel an, die zum Entwicklungsstand passen.
- BLW schliesst breiige Konsistenzen nicht aus – solange sich das Baby selbst bedienen kann/darf.
Der unter dem Namen «Baby-Led Weaning» (BLW) verbreitete Ansatz wurde von Gill Rapley entwickelt, einer britischen Hebamme und Stillberaterin. Übersetzt bedeutet dies «Baby-geleitetes Entwöhnen», stellt also einen vom Baby ausgehenden und vom Baby bestimmten Abstill-Prozess dar. Ausser um das Entwöhnen von der Brust geht es selbstverständlich gleichzeitig um den Übergang zu fester Nahrung.
Im Mittelpunkt steht also, dass das Baby eine aktive Rolle einnimmt und die Umgewöhnung von der Milch zu fester Nahrung (massgeblich) selbst bestimmt. Ihm wird nicht passiv Brei gefüttert, sondern es entscheidet selbst, was in seinen Mund kommt, und bedient sich auch selbst.
Laut Rapley (2016) beschreibt BLW keine Fütterungsmethode, sondern eine grundlegende Einstellung und Herangehensweise an das Thema «Baby und Essen». Die Frage ist also nicht: Wird mit dem Löffel oder den Fingern gegessen? Zentral ist viel mehr die (elterliche) Sichtweise auf die Fähigkeiten des Babys in puncto Nahrungsaufnahme. Folgen Eltern dem BLW-Ansatz, trauen sie dem Baby zu, selbst zu wissen und zu entscheiden, ob es essen möchte, was es essen möchte, wieviel und in welchem Tempo es essen möchte. Dem Baby wird so ganz viel Respekt entgegengebracht.
Für Rapley (2016) ist es dabei selbstverständlich, dass das Baby an den Familienmahlzeiten teilnimmt und die Eltern ihm gesunde und ausgewogene Nahrung anbieten, die es gut greifen und kauen kann. Das Baby darf mit den Händen oder mit Besteck essen – gerade so, wie es kann und möchte.
Zum Baby-gesteuerten Entwöhnen gehört auch, dass das Baby bestimmt, wie lange es wie viel stillen bzw. Milch trinken möchte. Der Abstill-Prozess geht wie die Beikostaufnahme vom Baby aus. BLW-Kinder trinken meist länger grössere Mengen Milch als Brei-Kinder, da sie nicht so viele Kalorien aus der Nahrung aufnehmen und ihren Kalorien- und Nährstoffbedarf weiter über das Stillen decken. Daher gehört das Anbieten von Milch nach Bedarf so lange dazu, wie das Baby bzw. Kleinkind es möchte.
In welchen Konsistenzen die Nahrung angeboten und aufgenommen wird, spielt eigentlich gar keine so grosse Rolle. BLW schliesst breiige Konsistenzen nicht aus. Doch soll das Baby alle angebotene Nahrung selbstständig essen können, sind Suppen oder feinpürierte Breie schwierig, so lange es nicht sicher mit dem Löffel essen kann – jedoch braucht es auch Gelegenheit zum Ausprobieren. Da sich Kinder bei BLW selbst bedienen können sollen, ist es generell Aufgabe der Eltern, immer zum jeweiligen Entwicklungsstand passende Nahrungsmittel anzubieten.
Welche Vorteile bietet Baby Led Weaning (BLW) gegenüber dem Füttern von Brei?
- BLW unterstützt die Entwicklung eines gesunden Essverhaltens und einer gesunden Nahrungsauswahl.
- BLW fördert die Hand-Mund-Koordination.
- BLW unterstützt das Selbstwertgefühl des Babys.
BLW bietet eine ganze Reihe von Vorteilen:
Durch das selbstständige Essen wird die Hand-Mund-Koordination gefördert: greifen, halten, zum Mund führen, loslassen. Die Geschicklichkeit von Hand und Fingern wird ganz nebenbei und natürlich trainiert, z.B. wenn das Kind mit dem Pinzettengriff Erbsen aufnimmt.
Ausserdem steigert die erfahrene Selbstständigkeit sowie das entgegengebrachte Vertrauen der Eltern das Selbstbewusstsein des Kindes. Die Eltern trauen dem Kind mehr zu, es darf entscheiden und nimmt eine aktive Rolle ein (wie im Absatz vorher beschrieben) – das wirkt sich positiv auf das Selbstwertgefühl des Kindes aus. Die frühe Teilnahme am Familienessen vermittelt dem Baby zudem, dass es ein volles Familienmitglied ist und fördert die Familienzusammengehörigkeit. (vgl. D’Auria et al., 2018)
BLW-Kinder entwickeln zudem später seltener problematisches Essverhalten. Von Anfang an entscheiden sie selbst, was, wie viel und in welchem Tempo sie essen. Dadurch wird die Wahrnehmung des Sättigungsgefühls geschult und die Selbstregulation (satt-hungrig) unterstützt. Diese frühen Erfahrungen sind bedeutend für die Entwicklung eines gesunden Essverhaltens.
Zur optimalen Entwicklung des Sättigungsgefühls trägt ebenfalls bei, dass Kinder im Rahmen von BLW einzelne Lebensmittel kennenlernen. Dabei erfahren sie neben dem Geschmack und dem Geruch auch die Sättigung der einzelnen Produkte. Wird in Babybreien verschiedenes Gemüse, Nudeln und Fleisch vermischt, ist dieses Kennenlernen schwieriger (vgl. Brown/Lee, 2015). Dass Produkte separat (und nicht unkenntlich vermischt) angeboten werden, bedingt auch ein frühes Kennenlernen vieler verschiedener Geschmacksrichtungen und -nuancen. Dies fördert die Geschmacksakzeptanz, die sich wiederum positiv auf das spätere Ernährungsverhalten und die Gesundheit auswirkt. (Zum Einfluss der Beikost-Art auf die Geschmacksentwicklung siehe diesen Artikel.)
Da BLW-Kinder die Lebensmittel nicht nur «unvermischt» sondern auch «unpüriert» erhalten, lernen sie ebenfalls die Konsistenz und Struktur der Produkte kennen. Wenn man bedenkt, dass Essen im ersten Jahr zum Entdecken da ist und die (Haupt-)Ernährung weiterhin über die Milch erfolgt, macht es Sinn, Babys möglichst viel Möglichkeiten zum Entdecken zu bieten.
Forscher der Universität Nottingham haben die Auswirkungen der Beikost-Zeit (BLW oder Brei-Füttern) auf den BMI und die Ernährungspräferenzen in der Kindheit untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Die Beikost-Weise hat einen Einfluss auf das spätere Ernährungsverhalten sowie die Gefahr, Übergewicht zu entwickeln. BLW-Kinder hatten durchschnittlich einen niedrigeren BMI-Wert und zeigten eher eine Präferenz für gesünderes Essen als Brei-Kinder. Markante Unterschiede bei der Nahrungswahl gab es vor allem bei kohlenhydratreichen sowie süssen Lebensmitteln: Während BLW-Kinder kohlenhydratreiche Kost vorzogen, waren süsse Gerichte das Lieblingsessen der Brei-Kinder. Die Forscher kontrollierten auf zahlreiche Störvariablen; d.h. es gilt als gesichert, dass die gezeigten Präferenzen nicht durch andere Faktoren (z.B. sozio-ökonomischer Status der Eltern oder «Falschaussagen» aufgrund sozialer Erwünschtheit) beeinflusst wurden. Einzig eine gesteigerte Präferenz für Gemüse hing mit der Zugehörigkeit zu einer höheren sozialen Schicht zusammen und konnte nicht auf die Beikost-Weise zurückgeführt werden. Befragt und begleitet wurden 155 Eltern von Kindern im Alter von 20 bis 78 Monaten. (vgl. Townsend/Pitchford, 2012)
Zur Entstehung von Geschmackspräferenzen sei gesagt, dass man natürlich auch durch BLW einen Hang zu Süssem (oder Salzigem etc.) verursachen kann, wenn man dem Kind bspw. häufig gesüsste Gerichte anbietet. Solche Präferenzen entstehen durch regelmässiges Konsumieren – egal in welcher Form Lebensmittel angeboten werden. Durchschnittlich erfahren aber gemäss der oben genannten Studie Brei-Kinder eher eine Prägung auf süsse Lebensmittel, was vermutlich an der Auswahl der Breie liegt. Wenn Kinder am Familientisch mitessen, sollte das Essen nachträglich gesalzen oder gezuckert werden.
Auch eine Studie von Brown und Lee (2011) zeigt einen positiven Einfluss von BLW auf das Essverhalten: Kleinkinder (18 bis 24 Monate) assen vielfältiger und waren weniger pingelig, wenn ihre Eltern den BLW-Ansatz verfolgten. Zudem wiesen sie eine bessere Sättigungs-Wahrnehmung auf, waren weniger auf Essen programmiert und hatten ein geringeres Durchschnittsgewicht als Brei-Kinder (mit 6 Monaten gab es keine Gewichtsunterschiede zwischen den beiden Gruppen).
Wie zu Beginn schon kurz erwähnt: Feste Nahrung für Babys ist eigentlich nichts Neues – sondern entspricht unserer Natur. Steinzeitbabys erhielten keinen feinpürierten Brei, sondern verspeisten wissenschaftlichen Annahmen zufolge von Anfang an Beeren und anderes, was die Steinzeiteltern eben fanden und selbst assen. Um die Kost zu zerkleinern, setzten Babys daher früh ihren Kiefer und ihre Kiefermuskulatur ein. Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen der Einführung von Baby-Brei (ungefähr im 17./18. Jahrhundert) und der Verbreitung von Kieferdeformationen, da Kiefer und Kiefermuskulatur nun häufig erst später für Kaubewegungen eingesetzt wurden (pürierte Kost ohne Stückchen muss nicht gekaut werden).
Babys haben einen natürlichen Reflex, feste Nahrung (zu Beginn auch Brei) sofort wieder aus dem Mund zu schieben. Dieser Reflex ist sinnvoll, da so nichts in den Babykörper gelangt, was dieser (noch) nicht verarbeiten und verdauen kann. Brei wird i.d.R. früher (vor dem vollständigen Verschwinden des «Zungen-Stoss-Reflexes») akzeptiert als feste Kost, da dessen Konsistenz der flüssigen Milchnahrung ähnlicher ist. Man kann den Reflex also sozusagen «überlisten», wenn er nicht mehr so stark ausgeprägt ist. Doch dann bleibt die Frage: Macht es Sinn, Nahrung zu füttern, noch bevor der Babykörper (z.B. durch Verschwinden dieses Reflexes) signalisiert, dass er bereit dazu ist?
Erst wenn die Schleimhaut in Magen und Darm fertig (oder ausreichend) aufgebaut ist, kann feste bzw. stückige Nahrung verdaut werden. Zuvor ist natürlicherweise nur Milchnahrung vorgesehen; eine Zwischenstufe wie das Breifüttern ist eine Erfindung der neueren Zeit. Magenschonendes, fein püriertes Gemüse kann Magen und Darm schon früher ohne grössere Probleme passieren (mithilfe der Enzyme aus der Milch zur Verdauung) – aber warum soll man einem Kind schon anderweitige Nahrung verabreichen, wenn es noch nicht reif dafür ist? Sollte man mit der Beikost nicht lieber abwarten, bis das Kind tatsächlich verdauen kann?
Die Entwöhnung der Brust und der Wechsel zu fester Nahrung ist im Menschen angelegt. Jedes (gesunde) Kind wird diesen Prozess von sich aus starten und durchlaufen – irgendwann und im eigenen Tempo. Das ist eine ganz natürliche Entwicklung, in die Eltern (oder andere) gar nicht eingreifen müssten. Lange Zeit wurde Babys (in unserer Kultur) nun aber sehr früh (nach dem 3./4. Monat) Brei gefüttert, obwohl viele Kinder zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht bereit für die Aufnahme fester Nahrung sind. Der Prozess der Milch-Entwöhnung wurde demnach beschleunigt bzw. künstlich früher gestartet. Dieser frühe Beikost-Start mit Breien ist noch immer weit verbreitet.
Wenn Eltern mit der Beikost-Einführung abwarten, bis das Kind wirklich bereit dazu ist, «feste» Nahrung aufzunehmen (häufig mit ca. 6 Monaten), gibt es keine Notwendigkeit, die Lebensmittel zu pürieren. Kinder können dann bereits mit stückiger Nahrung umgehen. Die Milch möglichst früh zu ersetzen, macht auch aus folgendem Grund keinen Sinn: Muttermilch hat eine höhere Energiedichte als Breie oder andere Produkte, die Babys angeboten werden. Es gibt also keinen einfacheren Weg, den Energiebedarf zu decken, als das Kind zu stillen.
Kinder starten den Abstillprozess übrigens in der Regel zwischen 1.5 und 2 Jahren. Dann wird feste Nahrung zur Hauptnahrungsquelle und der Milchbedarf sinkt.
Verschlucken sich Kinder eher, wenn sie Fingerfood bekommen?
- Verschlucken gehört zum Essen-Lernen dazu. Es ist normal, dass sich Essanfänger verschlucken.
- BLW-Kinder haben generell kein höheres Risiko, sich zu verschlucken, als Brei-Kinder.
- Das Auslösen des natürlichen Würgereflexes darf nicht mit Verschlucken bzw. gefährlicher Aspiration verwechselt werden.
- Es ist wichtig, die Beikostreife abzuwarten, Kinder aufrecht sitzen zu lassen und Nahrungsmittel verantwortungsvoll auszuwählen.
Das Verschlucken und das Aspirieren von Nahrung ist unter Eltern kleiner Essanfänger ein grosses Thema – egal, in welcher Form ihre Babys Nahrung erhalten. Und tatsächlich passiert es relativ oft, dass sich Babys und Kleinkinder verschlucken. Denn das gehört zum Prozess des Kauen- und Essen-Lernens dazu (vgl. D’Auria et al., 2018). Doch in der Regel gelingt es Babys, die Flüssigkeit oder Feststoffe durch Husten wieder aus der Luftröhre zu befördern. Fremdpartikel abzuhusten, die fälschlicherweise in die Luftröhre gelangt sind, ist eine ganz natürliche Reaktion, die meist zum Erfolg führt. Dass ein Kind gar stirbt, weil es Nahrung aspiriert hat, kommt zum Glück sehr selten vor.
Häufig verwechseln Eltern übrigens Würgen mit tatsächlichem Verschlucken bzw. Aspirieren von Nahrung: Babys und Kleinkinder würgen und husten häufig, wenn sie die ersten Mahlzeiten verspeisen (und auch später noch). Manches Kind erbricht sogar, wenn etwa ein zu grosses Stück Nahrung in Richtung Speiseröhre gelangt. Das sind ganz normale und natürliche Schutzmechanismen. Der Würgereiz sitzt bei Babys viel weiter vorne als bei Erwachsenen (zu Beginn mitten im Mund), daher würgen sie viel schneller. Erst mit zunehmendem Alter wandert der Würgereflex in den Gaumen zurück. Durch das früh ausgelöste Würgen wird ernsthaftes Verschlucken oft verhindert. Ausserdem werden zu grosse Nahrungsstücke wieder hervorbefördert, bevor sie in die Speiseröhre wandern und Probleme verursachen. Für das Kind sind solche Reaktionen ganz normal, sie machen ihm normalerweise nichts aus. Auch wenn ein Kind aufgrund eines Nahrungsstückes heftig würgt und erbricht, es rot wird und ihm dabei die Augen tränen, isst es in der Regel danach mit Freude weiter.
Verschlucken sich BLW-Kinder nun häufiger als Kinder, die mit Brei gefüttert werden?
Grundsätzlich nein. Es existieren verschiedene grössere und kleinere Studien, die hinsichtlich der Häufigkeit des Verschluckens zwischen BLW- und Brei-Kindern keine Unterschiede feststellten (vgl. z.B. Townsend/Pitchford, 2012; Brown, 2017). Brown (2017) dokumentierte beispielsweise in 3 Untersuchungsgruppen (insgesamt 1151 Kinder), ob es mindestens einen Vorfall heftigen Verschluckens/Würgens gab und kam auf folgende Zahlen: In der reinen BLW-Gruppe hatten 11.9% der Kinder solch einen Vorfall, in der reinen Brei-Gruppe 11.6% und in der gemischten Gruppe (Kinder erhielten gelegentlich Fingerfood) 15.5%. Es gab keine signifikanten Differenzen. Zu dieser Studie muss gesagt werden, dass die Stichprobe nicht zufällig gezogen wurde, sondern eine Selbstselektion stattfand (interessierte Mütter konnten sich anmelden), was sich auf die Resultate auswirken kann. Andere Studien (oft mit geringeren Fallzahlen) liefern jedoch ähnliche Ergebnisse.
Auch das Forscherteam um Fangupo (2016) stellte keine Unterschiede bzgl. des Aspirationsrisikos zwischen Brei- und BLW-Kindern fest. Die Wissenschaftler kamen jedoch insgesamt auf eine höhere Zahl: Gemäss ihrer Studie verschluckten sich 35% der Kinder mindestens einmal massiv.
Laut Fangupo et al. (2016) gibt es übrigens eine Phase, in der sich BLW-Kinder tendenziell häufiger verschlucken als gleichaltrige Brei-Kinder: nämlich zu Beginn der Beikostphase (mit ca. 6 Monaten), in der sie die erste feste Nahrung zu sich nehmen, während Brei-Kinder ausschliesslich mit Brei gefüttert werden. Brei-Kinder erleben diese Phase häufigen Verschluckens jedoch später: Sobald sie mit ca. 8 Monaten (zwischendurch) die ersten festen Nahrungsmittel angeboten bekommen, verschlucken sie sich öfter als die dann bereits erprobten BLW-Kinder. (vgl. Fangupo et al., 2016)
Wie alle möglichen anderen Dinge müssen Kinder auch lernen, mit fester Nahrung umzugehen – früher oder später. Für ein frühes Kennenlernen fester Nahrung (wie im BLW-Ansatz) spricht, dass der Würgereflex zu diesem Zeitpunkt noch weiter vorne im Mund liegt (also weiter weg von der Speise- und Luftröhre) und dadurch evtl. ernsthaftes Verschlucken eher verhindern kann.
Wesentlich ist, mit der Beikost – und insbesondere mit BLW – abzuwarten, bis ein Kind die Reifezeichen zeigt: Denn wenn es sicher sitzen und die Nahrung selbst zum Mund führen kann, ist normalerweise auch der Körper bereit, mit fester Nahrung umzugehen; z.B. bedarf es einer gewissen Zungenfertigkeit, um Nahrung zwischen Zunge und Gaumen zu zerdrücken und anschliessend sicher zu schlucken. Es kann tatsächlich sein, dass ein 6 Monate altes Baby noch nicht über die physischen Fähigkeiten verfügt, um feste, grössere Nahrungsstücke zu kauen und zu schlucken (vgl. Wright et al., 2011).
Als Reifezeichen für den Beikoststart gelten:
- Das Kind sollte aufrecht sitzen können (mit leichter Unterstützung).
- Das Kind muss die Kopfkontrolle beherrschen (also den Kopf problemlos allein halten).
- Der Zungen-Stoss-Reflex sollte verschwunden sein, also feste Nahrung nicht mehr reflexartig aus dem Mund geschoben werden.
- Das Kind sollte Interesse an Nahrung zeigen (z.B. in den Teller der Eltern greifen wollen).
- Das Kind sollte selbst nach Nahrung greifen und diese zum Mund führen können. (Das Greifen geschieht zu Beginn noch mit der ganzen Hand bzw. Halten in der Faust.)
Damit Babys beim Verspeisen fester Nahrung kein erhöhtes Aspirations-Risiko haben, müssen Eltern etwas mehr Verantwortungsgefühl walten lassen, als beim Füttern von Brei. Doch mit gesundem Menschenverstand ergibt sich das meiste. Folgende «Sicherheitsmassnahmen» sind wichtig: Babys sollten zur Nahrungsaufnahme immer aufrecht sitzen; denn in halb-liegender Position ist das Aspirations-Risiko bedeutend erhöht. Ausserdem sollte ein Baby immer in Begleitung eines Erwachsenen essen und nie mit (fester) Nahrung alleine gelassen werden. Das Baby bestimmt die Auswahl der Nahrung vom Teller und – noch wichtiger – das Tempo. Dem Baby sollten nie einfach feste Nahrungsmittel in den Mund geschoben werden. Die Gefahr ist dann viel grösser, dass es Probleme mit dem Kauen/Schlucken bekommt.
Die Notwendigkeit, eine verantwortungsvolle Nahrungsmittelauswahl (und -zubereitung) zu treffen, liegt auf der Hand. Ohne Zähne kann das Baby Nahrung nur zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken bzw. mithilfe der Kieferknochen abbeissen. Die angebotene Nahrung sollte daher weich genug sein, dass das Baby sie mit seinen Beiss- und Kaufähigkeiten bearbeiten kann – und (zumindest bei BLW-Anfängern) fest genug, damit sie in der Hand nicht zerdrückt wird. Wenn das Baby noch klein ist, sollten die Nahrungsstücke gross sein, so dass es sie mit der ganzen Faust gut greifen und festhalten kann. Prallelastische Gemüse und Früchte (z.B. Tomaten und Trauben) sollten halbiert werden. Nüsse und andere kleine, feste Stückchen sind tabu, da sie sehr leicht aspiriert werden.
Geübtere (und ältere) Babys werden mit immer mehr Lebensmitteln fertig. Und manches, was nicht direkt gegessen werden kann, wird abgeleckt oder ausgelutscht (z.B. festere Fleischstücke).
Nehmen Kinder bei BLW genügend Nährstoffe (und Spurenelemente wie z.B. Eisen) auf?
- BLW-Kinder sind nicht weniger gut versorgt als Brei-Kinder.
- Zu BLW gehört immer das Stillen nach Bedarf.
- Es gibt keine Studien, die nahelegen, dass BLW einen Eisenmangel fördert.
Einige Fachverbände wie z.B. der Berufsverband deutscher Kinderärzte warnen noch immer vor BLW, da die Ernährung oft unausgewogen sei und zu wenig Nährstoffe aufgenommen würden. Babys seien motorisch zu ungeschickt und könnten daher nicht genügend essen, begründen sie. Ausserdem nähmen sie durch Fingerfood alleine häufig zu wenig Eisen auf.
Was ist an diesen Aussagen dran?
Gemäss der zuvor bereits erwähnten Studie aus Nottingham sind BLW-Kinder eher gefährdet, untergewichtig zu sein, als Brei-Kinder (vgl. Townsend/Pitchford, 2012). Unter den von den Forschern beobachteten Kindern befanden sich mehr untergewichtige Kinder in der BLW-Gruppe als in der Brei-Gruppe. Mit 92 BLW-Kindern und 63 Brei-Kindern waren diese Gruppen allerdings eher klein. Andere Wissenschaftler wie z.B. Taylor und seine Kollegen fanden keine Unterschiede hinsichtlich Wachstums- oder Gedeihstörungen (vgl. Taylor et al., 2017)
Wichtig ist, dass zu BLW grundsätzlich das (lange) Stillen nach Bedarf (bzw. die Gabe von PRE-Milch nach Bedarf) gehört. Fingerfood alleine kann den Energiebedarf im Beikostalter natürlich nicht decken. Es ist nicht die Idee des Ansatzes, die Milchernährung möglichst schnell zu ersetzen. Beikost wird als Ergänzung gesehen, während die (hauptsächliche) Nahrungsaufnahme über die (Mutter-)Milch geschieht. Damit der Nährstoffbedarf gedeckt wird, muss den Kindern deshalb neben dem Fingerfood solange Milch angeboten werden, wie sie dies möchten. Manche Kinder fordern Milch relativ lange ein, andere stellen schneller vollständig auf feste Kost um. Über die Muttermilch nehmen die Kinder übrigens neben wichtigen Nährstoffen auch essentielle Spurenelemente und Antikörper (zur Abwehr von Erregern) auf. Von ergänzendem Stillen profitieren Kinder daher lange.
Entwickeln BLW-Kinder eher einen Eisenmangel?
Gemäss WHO sollte mit Beikost (erst) gestartet werden, sobald die Muttermilch alleine keine ausreichende Versorgung des Babys mit allen wichtigen Nährstoffen und Spurenelementen mehr sicherstellen kann (und das Baby Interesse an Nahrung zeigt etc., siehe die zuvor erwähnten Reifezeichen). Das ist nach ca. 6 Monaten ausschliesslichem Stillen der Fall, weil dann insbesondere der Eisenbedarfs des Babys den Eisengehalt der Muttermilch übersteigt. Es versteht sich von selbst, dass die Beikost dann auf jeden Fall die Nährstoffe und Spurenelemente enthalten sollte, die in der Milch nicht ausreichend vorhanden sind. Nur so kann die Beikost die Muttermilch ideal ergänzen. (vgl. WHO, 2002)
Es ist also wichtig, eisenreiche Beikost anzubieten, da die Muttermilch natürlicherweise nicht viel Eisen enthält – egal, ob Lebensmittel in Breiform oder als Fingerfood gegeben werden. Zur Erklärung: Ein hoher Eisengehalt der Muttermilch war evolutionär unwichtig, da Babys ab Beikoststart ohnehin eisenreiche Lebensmittel (z.B. Beeren, vorgekautes Fleisch) bekamen. Die Ernährung war früher insgesamt eisenreicher als heute. (Zur Wichtigkeit von Eisen für Babys und Kleinkinder siehe diesen Artikel.)
Ein optimaler Eisenlieferant ist Fleisch. Viele Fleischarten sind für Babys eher schwierig, selbstständig zu essen, während püriertes, eisenhaltiges Fleisch einem Brei einfach beigemischt werden kann. Babys können aber durchaus auch früh an Fleisch saugen oder weiche Fleischstücke (z.B. Gulasch) verspeisen. Zudem gibt es viele eisenhaltige Gemüse-, Obst- und Getreidesorten. Hier sind viele eisenhaltige Lebensmittel (inkl. Angabe zum Eisengehalt) aufgelistet.
Es gibt wenige Studien, die sich mit der Eisenaufnahme von BLW- und Brei-Kindern beschäftigen. Eine kleine Studie von Cameron und seinem Forscherteam (2015) zeigt keine Differenzen, wobei sich die Ergebnisse tatsächlich nur auf 12 Teilnehmende stützen. Um verlässliche Aussagen zu treffen, müssten grösser angelegte Studien durchgeführt werden.
Muss man sich entscheiden? Schliesst ein Ansatz den anderen aus?
- Streng genommen schliesst BLW das Füttern von Brei aus.
- Es existieren weniger strenge Ansichten.
Grundsätzlich: Jein. Folgt man der Ansicht von Gill Rapley, dass BLW keine Fütterungsmethode sondern eine Einstellung ist, schliesst der Ansatz das Füttern von Brei aus, da das Kind dabei in eine passive Rolle versetzt wird. Babys werden nicht gefüttert (egal, ob mit Brei oder anderem), sondern sie essen selbstständig. Geht es aber um die Nahrungsformen (Fingerfood oder Brei), lässt sich im BLW-Gedanke beides kombinieren. BLW bedeutet (wie oben bereits kurz beschrieben) nicht zwingend nur Fingerfood. BLW heisst, dass das Baby selbst entscheiden darf und die angebotene Nahrung selbst essen können sollte. Hat es also die Wahl zwischen Brot und Mus und löffelt lieber das Mus, ist das genauso BLW.
Was aber, wenn das Kind noch nicht selbstständig mit dem Löffel essen kann? Darf man es dann füttern?
Streng genommen darf man dem Kind gemäss BLW nichts füttern. Denn es soll nur das essen, was es selbstständig zum Mund führen kann, und den Rest seines Bedarfs durch Milch decken. Das ist BLW in Reinform. Doch es hat sich auch eine weniger strenge Ansicht etabliert: Nach dieser Auffassung sind hin und wieder auch breiige Konsistenzen erlaubt, selbst wenn das Baby noch nicht selbst mit dem Löffel essen kann. Es wird also hin und wieder gefüttert, bedient sich meistens aber selbst.
Ich möchte an dieser Stelle meine eigene Meinung einbringen: Mit unserer Tochter, die früh am Familientisch mitass, haben wir die Erfahrung gemacht, dass Babys hin und wieder sehr gerne Hilfe beim Essen annehmen. Neben vielen festen Lebensmitteln mochte sie «breiige» Nahrungsmittel wie Joghurt, Apfelmus oder Müsli sehr gerne. Wir sahen keinen Grund, ihr diese Dinge zu verwehren, auch als sie noch nicht mit dem Löffel essen konnte. Grundsätzlich ass sie die Mahlzeiten selbst, schaufelte auch Müsli fröhlich mit den Händen. Aber bei Joghurt oder Apfelmus liess sie sich auch gerne helfen. Sie zeigte uns deutlich, wann sie Hilfe wollte und wann nicht. Genauso signalisierte sie uns, dass sie genug hatte oder sich etwas anderem auf ihrem Teller zuwandte. Daran hielten wir uns.
Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, BLW mit gelegentlichem «Füttern» oder Helfen zu verbinden, so lange man sich dabei immer nach dem Kind richtet und seine Signale respektiert. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Wir boten unserer Tochter übrigens nie nur «Breiiges» an, solange sie nicht mit dem Löffel essen konnte. Es gab immer eine weitere Auswahl an greifbaren Essenstücken, so dass sie selbst entscheiden konnte, Hilfe anzunehmen. Ich denke, es ist wichtig, dass die Entscheidung beim Baby liegt.
Was eignet sich als Fingerfood und was sollte man vermeiden?
Babys sollen möglichst eine Vielfalt an Lebensmitteln kennenlernen: Wenn sie früh Erfahrung mit vielen verschiedenen Geschmäckern machen, steigert das die Geschmacksakzeptanz, was ihnen später hilft, sich vielfältig zu ernähren. (Hier geht es zum Artikel zur Geschmacksprägung.)
Daher können Babys auch früh am Familientisch mitessen – es müssen keine Extra-Gerichte gekocht werden, solange das Familienessen für die Babyernährung taugt, sprich ausgewogen und gesund ist. Wer sich von Fertigpizza und Tiefkühllasagne ernährt, sollte aus offensichtlichen Gründen für das Baby eine Alternative zubereiten.
Zur Beikosteinführung eignen sich folgende Lebensmittel prima:
- Gemüse- und Obststicks (roh oder gegart, je nach Sorte und Entwicklungsstand des Kindes)
- Brotstücke (auf Salz achten, evtl. selbst backen)
- Gekochte Kartoffel-Stücke
- Nudeln
- Reis.
In der weiteren Beikost-Zeit können Pancakes (z.B. mit Kürbis, Apfel oder Banane), Pfannkuchen-Stücke, Frikadellen, weiches Fleisch (z.B. Gulasch, Ofenhähnchen), gegarter Fisch und vieles mehr angeboten werden. Auf folgenden Seiten gibt es bspw. leckere Rezepte für BLW-Babys:
Ein paar Lebensmittel und Gerichte sind aus verschiedenen Gründen ungeeignet – einiges wurde in den vorherigen Kapiteln schon erwähnt. Kindern unter einem Jahr sollten folgende Lebensmittel definitiv gar nicht angeboten werden, danach sollten Eltern den gesunden Menschenverstand walten lassen:
- Honig, rohe Eier, roher Fisch, rohes Fleisch, Rohmilch-Produkte (für Kinder unter einem Jahr ungeeignet, aufgrund der möglichen Bakterien-Belastung, z.B. Salmonellen)
- Geräuchertes Fleisch, geräucherter Fisch (für Kinder unter einem Jahr ungeeignet, aufgrund der möglichen Bakterien-Belastung, z.B. Salmonellen)
- Fertiggerichte
- Gezuckerte oder gesalzene Nahrung
- Verarbeitete Fleischwaren (z.B. Wurst) (hoher Gehalt an Fett, Salz, Pökelsalzen)
- Wildfleisch, Leber, bestimmte Fischarten (z.B. Marlin, Speerfisch, Schwertfisch, Hai) (mögliche Belastung mit Schwermetallen oder Dioxinen)
- Nüsse und andere kleine, harte Stückchen (Aspirationsgefahr, solange sie Kinder noch nicht ausreichend zermahlen können).
Ein kleines Resümee…
Der Übergang von der Milch zu fester Kost ist eine ganz wichtige Phase mit weitreichenden Effekten: Die frühen Nahrungs-Erfahrungen beeinflussen die lebenslange Ernährung der Kinder.
Der BLW-Ansatz stellt eine Alternative zu «traditionellen» Brei-Beikost dar. Zentral ist bei dieser Methode, dass das Baby den Übergang von Milch zu fester Nahrung selbst bestimmt. Das Baby gibt das Tempo der Milch-Entwöhnung vor, entscheidet was und wieviel es isst, führt das Essen (Fingerfood) selbstständig zum Mund. Obwohl der Ansatz recht «neu» ist, ist er eigentlich viel näher an der Natur des Menschen als die Brei-Ernährung. Steinzeit-Eltern konnten schliesslich keine feinpürierten Breie herstellen – ihre Babys stellten dennoch ganz natürlich von Milch auf feste Nahrung um. Schwierig zu kauende Nahrungsmittel (wie Fleisch) kauten die Eltern vor.
An diesem Steinzeit-Beispiel sieht man aber auch, dass nichts dagegen spricht, Lebensmittel vom Familientisch ein wenig «Baby-tauglich» abzuändern, z.B. mit der Gabel zu zerdrücken.
Bei BLW begleiten die Eltern das Baby und bieten ihm eine Auswahl an Lebensmitteln an. Dass diese Auswahl verantwortungsvoll getroffen werden sollte, versteht sich von selbst. Neuseeländische Forscher entwickelten für eine Studie den sogenannten BLISS-Ansatz, ein modifiziertes BLW-Konzept. Den Eltern wurden Sicherheitsmassnahmen erklärt (z.B. dass das Kind beim Essen aufrecht sitzen sollte, nicht alleine gelassen werden sollte) und es wurden Empfehlungen zur Nahrungsmittelauswahl gegeben: Zu jeder Mahlzeit sollte unter anderem mindestens ein eisenreiches sowie ein energiehaltiges Lebensmittel angeboten werden. Die Mahlzeiten sollten insgesamt gesund, nährstoffreich und ausgewogen sein. Die Essenszubereitung sollte dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechen (z.B. nur weiche bzw. gekochte Lebensmittel, die sich zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken lassen, solange das Kind keine oder nur wenige Zähne oder noch Probleme beim Kauen hat), um das Aspirations-Risiko zu minimieren.
Meines Erachtens gehört es zum BLW-Ansatz ohnehin dazu, dass Eltern achtsam und verantwortungsvoll sind. Natürlich macht es keinen Sinn, das Kind ganz frei aus der (heutigen) Lebensmittelauswahl wählen zu lassen – z.B. aufgrund einer (ganz natürlichen) Vorliebe für Süsses, die heutzutage aufgrund der vielen angebotenen Süssigkeiten fatal sein kann. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihren Kindern eine sinnvolle Lebensmittel-Auswahl anzubieten.
Für Babys ist es sicher schön, früh vom Familientisch mitzuessen – das vermittelt Zusammengehörigkeit. Doch dies erfordert natürlich, dass als Familienessen ausgewogen Nahrung aufgetischt wird. Fastfood etwa ist für Babys sicherlich ungeeignet. Das Baby benötigt auch kein hinzugefügtes Salz und keine gezuckerten oder stark gewürzten Speisen. Dazu kann man z.B. vor dem Salzen/Würzen bereits eine Portion für das Baby beiseite stellen. Für Gezuckertes findet sich vielleicht eine schöne Alternative, wie etwa Obst.
Genauso wie man Kinder beim Erlernen und Ausprobieren von Bewegungen begleitet, animiert und vor Gefahren schützt, brauchen sie auch beim Kennen- und Essenlernen von Nahrungsmitteln liebevolle Begleitung, zu der eben auch Sicherheitserwägungen gehören. Doch ich denke, achtsame Eltern machen das von sich aus richtig.
Fingerfood darf auch durch «breiige» Konsistenzen ergänzt werden, wenn man dem BLW-Ansatz folgt – das darf jeder selbst entscheiden. Suppen, Apfelmus oder Joghurt mögen viele Babys und Kleinkinder. Sie können mit dem eigenen Löffel üben, die Finger ablecken, die andersartige Konsistenz befühlen, entdecken und kennenlernen. Und wenn das Baby beim Löffeln Hilfe möchte und dies signalisiert, spricht für mich auch nichts dagegen, dem Baby hin und wieder zu helfen. Wichtig ist, immer auf die Signale des Babys zu achten. Es kann schon früh deutlich zeigen, was es möchte und was nicht.
Ist BLW mehr Arbeit?
Nein. BLW muss nicht mehr Arbeit bedeuten. Im Gegenteil: Wenn man sowieso ausgewogen und gesund kocht und das Kind früh am Familientisch mitisst, kann BLW viel weniger Aufwand bedeuten, als wenn man separat Breie zubereitet. Allerdings: BLW kann ebenfalls bedeuten, dass sich Eltern vermehrt mit Ernährung beschäftigen und informieren. Zur Breiernährung gibt es die geltenden Empfehlungen schon vom Kinderarzt oder in der Mütterberatung. Es kann auch aufwändig sein, sich zu überlegen, wie man dem Kind eisenhaltige Lebensmittel (gemäss Entwicklungsstand) anbietet (z.B. Fleisch entsprechend zubereiten). Da ist das Gläschen im Supermarkt durchaus schneller gekauft.
Studien zeigen generell keine Nachteile von BLW hinsichtlich eines höheren Verschluck-Risikos oder einer geminderten Nährstoffaufnahme. Zur Deckung des Nährstoffbedarfs ist lediglich entscheidend, dass (Mutter-/PRE-)Milch nach Bedarfs angeboten wird, so lange das Kind Milch möchte. Dass verschiedene Studien im Detail zu etwas variierenden Ergebnissen kommen, liegt z.B. an geringen Stichprobengrössen (kleine Stichproben liefern unsicherere Ergebnisse) und an einer unterschiedlichen Definition von BLW (sehr streng, weniger streng).
Wie im Text oben beschrieben, ist es unwichtig, ob Kinder im Beikostalter grosse Mengen fester Nahrung oder Brei zu sich nehmen, so lange sie ihren Energiebedarf über die Milch decken. Festgelegte Pläne mit Mengenangaben nach Babyalter gelten zum Glück als überholt. Zentral ist, dass sie passende Beikost erhalten, die reich ist an Stoffen, die in der Muttermilch nicht ausreichend vorhanden sind (z.B. Eisen). Die Beikostzeit ist zudem dazu da, Nahrungsmittel und Geschmäcker kennenzulernen sowie die Aufnahme von Nahrung in verschiedenen Konsistenzen und Formen zu erproben. Der Mensch ist (wie alle Säugetiere) ganz natürlich dazu angelegt, von Milchnahrung auf «feste» Nahrung zu wechseln. Kinder müssen daher nicht dazu gedrängt werden, zu essen, so lange sie lieber überwiegend Milch trinken – wichtig ist nur, dass sie alle Nährstoffe erhalten, die sie brauchen. Wie oben erwähnt: Es ist natürlich, dass sich Kinder bis 1.5 oder 2 Jahre massgeblich von Milch ernähren und der Prozess bis zum vollständigen Abstillen noch einige weitere Jahre dauert.
Ich denke, ganz zentral ist bei der Beikosteinführung, dass jede Familie den für sich passenden Weg findet. Manche Babys mögen Brei durchaus. Andere gar nicht. Und die Eltern sollten sich mit dem gewählten Vorgehen wohlfühlen, sonst bringt das dem Baby auch nichts. Aber: Ausprobieren lohnt sich auf jeden Fall!
Für diesen Artikel habe ich einige wissenschaftliche Literatur zum Thema gelesen, wobei ich – wie bei meinen anderen Artikeln – keinen Anspruch auf Vollständigkeit hege. Das Forschungsfeld ist zudem noch recht neu und die Auswirkungen der Beikost-Weise auf die spätere Ernährung und Gesundheit noch nicht vollständig erforscht/geklärt. Derzeit wird weiter geforscht, wodurch immer wieder neue Erkenntnisse hinzukommen.
Was denkt ihr zum Thema «BLW oder Brei»? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Schreibt doch einen Kommentar – ich freue mich auf einen interessanten Austausch!
Quellenangaben
Brown, A., Lee, M. (2015) Early influences on child satiety-responsiveness: the role of weaning style. Pediatr. Obes. (10), 57-66.
Brown, A., Lee, M. (2011). Descriptive study investigating the use and nature of baby-led weaning in a UK sample of mothers. Matern. Child Nutr. (7), 34–47.
Cameron, S.L., Taylor, R.W., Heath, A.-L.M. (2015). Development and pilot testing of Baby-Led Introduction to SolidS – a version of Baby-Led Weaning modified to address concerns about iron deficiency, growth faltering and choking. BMC Pediatrics, 15-99.
D’Auria, E., Bergamini, M., Staiano, A. et al. (2018). Baby-led weaning: what a systematic review of the literature adds on. Italian Journal of Pediatric 44 (49), https://doi.org/10.1186/s13052-018-0487-8.
Raply, G. (2016). Is what you’re doing BLW? And does it matter?. In: http://www.rapleyweaning.com/assets/Defining_BLW_v2.pdf (Zugriff: Juni 2021).
Taylor, R.W., Williams, S.M., Fangupo, L.J., Wheeler, B.J., Taylor, B.J., Daniels, L., et al. (2017). Effect of a baby-led approach to complementary feeding on Infant Growth and overweight: a randomized clinical trial. JAMA Pediatr. (171), 838-46.
Townsend, E., Pitchford, N.J. (2012). Baby knows best? The impact of weaning style on food preferences and body mass index in early childhood in a case – controlled sample. BMJ Open, 2:e000298.
World Health Organization (2002). UNICEF. Global strategy on infant and young child feeding. Geneva: World Health Organization.
Wright, C.M., Cameron, K., Tsiaka, M., Parkinson, K.N. (2011). Is baby-led weaning feasible? When do babies first reach out for and eat finger foods? Matern. Child Nutr. (7), 27-33.